Auf ein Wort mit Dr. Esther Sterk
Dr. Esther Sterk ist Referentin für Tropenmedizin bei Ärzte ohne Grenzen – MSF.
Sehen wir bereits Verschiebungen in den Malaria-Übertragungszonen aufgrund des Klimawandels?
Erhöhte Niederschläge, Luftfeuchtigkeit und höhere Temperaturen erweitern das geografische Verbreitungsgebiet der Malariaüberträger, der Mücken. Die Mücken wandern in Afrika in höhere Lagen und breiten sich in Gebieten aus, die weiter vom Äquator entfernt sind, wo die Bevölkerung und die Gesundheitsstrukturen nicht auf die Zunahme von Malariafällen und -ausbrüchen vorbereitet sind.
Inwiefern beeinflussen steigende Temperaturen und sich verändernde Niederschlagsmuster die Häufigkeit und Verbreitung von Malariaausbrüchen?
Malaria wird durch Mücken auf den Menschen übertragen. Mücken benötigen Wasser, um sich zu vermehren, und bei hohen Temperaturen vermehren sie sich schneller. Außerdem verkürzt sich bei höheren Temperaturen die Entwicklungszeit des Malariaparasiten in den Mücken, sodass diese schneller infektiös werden. Bei höheren Temperaturen steigt auch die Stichrate.
Steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster verändern die Brutlebensräume der Vektoren und die Entwicklung des Malariaparasiten und verschieben damit die geografische Verbreitung der Krankheit und das Übertragungsrisiko. Der Klimawandel kann zu häufigeren und größeren Malariaausbrüchen führen und auch in Gebieten Fälle bzw. Ausbrüche verursachen, in denen zuvor keine Malaria vorkam, z. B. in höher gelegenen Regionen. Zunehmende Überschwemmungen infolge des Meeresspiegelanstiegs und starker Regenfälle führen zu stehenden Gewässern und schaffen Brutstätten für Mücken, die den Malariaparasiten übertragen.
Da Malaria infolge des Klimawandels neue Regionen erreichen könnte: Welche Lehren haben Sie beim Zugang zu bzw. bei der Aufklärung vulnerabler Bevölkerungsgruppen gezogen?
Aufgrund des Klimawandels ist weltweit mit einem Anstieg der Malariafälle zu rechnen. Malaria reagiert besonders empfindlich auf klimatische Veränderungen, da die Krankheit vor allem bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen in Ländern verbreitet ist, in denen in den kommenden zehn Jahren die größten Umweltveränderungen erwartet werden.
Zudem kann der Klimawandel zu Vertreibungen führen – in Regionen mit schlechterem Zugang zur Gesundheitsversorgung oder in Gebiete mit höherer Übertragung –, was das Risiko für diese vulnerablen Gruppen erhöht, sich mit Malaria zu infizieren und daran zu sterben. Die ärmsten Regionen sind am stärksten von verheerenden Folgen bedroht, da ihre Vorbereitungs-, Bewältigungs- und Reaktionsfähigkeit am geringsten ist. Internationale Bemühungen zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels sollten sich auf die ärmsten Regionen, auf Vertriebene sowie auf Menschen in Konfliktgebieten mit sehr schlechtem Zugang zu Versorgung konzentrieren. Um die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels auf diese Bevölkerungen zu mindern, müssen der Zugang zu Präventionsmaßnahmen wie insektizidbehandelten Moskitonetzen, zu Diagnostik und zu rascher Behandlung sichergestellt werden.
Dezember 2024